Wesensprüfung für Listenhunde in Rottweil: mit Aufzug-Übung und Mülldeckel-Klappern
Veterinäramt und Polizeihundestaffel prüfen Listenhunde – Wesenstest entscheidet über Maulkorb und Leine

Was machen ein klappriges Fahrrad, eine gelbe Mülltonne und ein alter Kinderwagen eigentlich auf einem Hundeplatz? Sie gehören zu einer Prüfung, die darüber entscheidet, ob ein Hund mit Maulkorb durch den Ort laufen muss oder künftig ohne unterwegs sein darf. Und die durchaus ihre Tücken hat, berichtet das Landratsamt.
In Baden-Württemberg sind American Staffordshire Terrier, Bullterrier und Pit Bull Terrier sogenannte Listenhunde. Sie und ihre Mischlinge ab dem sechsten Monat sind per Gesetz zum Wesenstest verpflichtet – und dabei genügt es, wenn Hunde diesen Rassen optisch ähneln.
Durchgeführt wird der Wesenstest von Veterinäramt und Polizeihundestaffel. Die erfahrenen Polizeihundeführer übernehmen den praktischen Teil, während Amtstierärztin Anna Lamparter und ihre Kollegin das Verhalten der Vierbeiner beobachten, protokollieren und den Halterinnen und Haltern nicht zuletzt beratend zur Seite stehen. Es ist ein Vormittag, der für die Tiere aufregend ist, für ihre Menschen anstrengend und für alle Beteiligten einen klaren Zweck hat: herauszufinden, wie sich diese Hunde verhalten, wenn das Leben mal nicht nur aus Leckerli und gemütlichen Gassirunden besteht.
Los geht es mit einer scheinbar simplen Übung: Zähne zeigen bitte – nicht fletschen. Wer sich geduldig ins Maul schauen lässt, kann gleich den ersten Haken auf der Liste verbuchen. Dann wird es eng. Die „Aufzugsübung“ heißt so, weil alle dicht um Hund und Halterin stehen, wie in einem vollen Fahrstuhl, in dem es kein Ausweichen gibt. Manche Hunde legen die Ohren an, andere drehen den Kopf weg, manche schauen ihren Menschen hilfesuchend an. Anna Lamparter erklärt: „Entscheidend ist, dass der Vierbeiner die unangenehme Situation ohne Aggression ertragen kann.“
Draußen auf dem Hundeplatz dürfen die Tiere dann abgeleint werden und zeigen, was sie im Rückruf können – oder auch nicht. Manche lassen sich sofort rufen, andere haben plötzlich ganz dringende eigene Pläne, die eine Weile dauern, bevor sich der Vierbeiner wieder einfangen lassen. An der Leine geht es anschließend um Führigkeit, um Aufmerksamkeit und die Frage, wie viel Spannung noch in der Leine liegt, wenn die Situation neu ist.
Im nächsten Schritt wird es ernst: Der Hund bleibt angeleint am Zaun zurück, während sein Mensch außer Sicht geht. Die Amtstierärztin sagt, worum es geht: „Jetzt wird getestet, wie der Vierbeiner auf unerwartete Reize reagiert, wenn er alleine ist“. Der Polizeihundeführer klappt in unmittelbarer Nähe des Hundes einen Schirm auf, laut und unvermittelt. Die meisten Hunde zucken kurz zusammen, drehen sich weg, einige schnüffeln neugierig, kaum einer lässt sich aus der Ruhe bringen. Dann: Eine Blechdose wird scheppernd geworfen, ein langer Mantel wird mit einem Ruck aufgespannt und verändert die Silhouette des Menschen, der am Hund vorbeigeht, schlagartig. Und schließlich folgt die für Hunde oft schwierigste Aufgabe: Ein Mensch geht frontal auf sie zu, starrt sie an und kommt immer näher. Ein Signal, das in der Hundesprache eindeutig ist.
Zu einer vollständigen Prüfung gehört auch die Konfrontation mit einem fremden Hund, der auf der anderen Seite des Zauns auf den Prüfling zugeht und lautstark bellt. Es ist eine Situation, die zeigt, wie stabil ein Hund bleibt, wenn der Artgenosse laut wird. Ein junger Hund aus einem Tierheim hat an dieser Stelle die Nerven verloren und wird den Test wiederholen müssen.
Zum Abschluss folgt eine Übungsrunde auf dem Gehweg vor dem Hundeplatzplatz: ein Fahrrad, ein Kinderwagen, eine klappernde Mülltonne und ein Besen sind nun die Herausforderung – Alltagssituationen, die für die meisten Hunde zwar Routine sind, aber für die Prüfer einen wichtigen letzten Blick auf das Gesamtverhalten des Tieres bedeuten.








Am Ende haben bis auf den Junghund aus dem Tierheim alle den Wesenstest bestanden, doch ohne Tipps geht keiner ihrer Menschen nach Hause. Rückruf, Leinenführigkeit, Gewöhnung an Stresssituationen – und bei manchem Hund auch ein prüfender Blick auf die Futterration. Warum das wichtig ist, erklärt Anna Lamparter dem Halter: „Ein Hund, der so viel Gewicht mit sich herumschleppt, wird nicht nur träge, sondern auch krank!“ Der Halter verspricht Besserung.
„Der Wesenstest zeigt: Listenhunde sind keine Selbstverständlichkeit. Aber wer mit ihnen konsequent arbeitet, schafft nicht nur mehr Sicherheit im Alltag, sondern kann einen verlässlichen Gefährten erhalten – auch wenn eine Frau mit Kinderwagen, der Nachbar mit der Mülltonne oder der Teenager auf dem klappernden Fahrrad vorbeifährt“, heißt es in der Mitteilung aus dem Landratsamt abschließend.